Politische Forderungen des Deutschen LandFrauenverbandes

Positionspapier: Landwirtschaft und Gesellschaft: Im Dialog zu einem gemeinsamen Verständnis

Präambel: dlv-Vision der deutschen Landwirtschaft der Zukunft

Die deutsche Landwirtschaft hat in Zukunft vielfältige Aufgaben und ist maßgeblich für eine gute Entwicklung der ländlichen Räume. Ihre wichtigste Leistung ist die Produktion von regionalen, hochwertigen Lebensmitteln. Außerdem erzeugt sie nachwachsende Rohstoffe und Energie, pflegt die Landschaft, schützt die Natur und speichert klimarelevantes CO2. All das leisten hauptsächlich familiengeführte, landwirtschaftliche Betriebe. Diese produzieren nachhaltig und haben eine langfristige, wirtschaftliche Perspektive sowie unternehmerischen Gestaltungsspielraum. Verbraucherinnen und Verbraucher haben Vertrauen in die heimische Landwirtschaft, ihre Erzeugnisse und Dienstleistungen. Die Marktstrukturen ermöglichen den Landwirtinnen und Landwirten eine gerechte Bezahlung ihrer Produkte.

 

Landwirtschaft mitten im Umbruch

Die Landwirtschaft in Deutschland befindet sich in einem großen Umbruch, der viele Landwirtinnen und Landwirte hinsichtlich der Zukunft ihrer Betriebe verunsichert. Der Strukturwandel beschleunigt sich, viele Familienbetriebe geben auf. Bedeutende Teile der Gesellschaft stellen erhöhte Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion. Gleichzeitig tragen zu wenige Verbraucherinnen und Verbraucher die damit verbundenen Mehrkosten an der Ladentheke mit. Die gefühlte und reale Distanz und der spürbare Vertrauensverlust zwischen Teilen der Gesellschaft und der Landwirtschaft sind größer denn je.

 

Globalisierte Agrarmärkte sorgen für einen immensen Preisdruck. Die Landwirtinnen und Landwirte befinden sich in einem Dilemma. Einerseits wollen sie umwelt- und klimaschonend produzieren und helfen, die artenreichen Kulturlandschaften zu erhalten. Anderseits müssen sie auf internationalen Märken ihre Wettbewerbsfähigkeit behaupten.

 

Ein langfristiger Dialog ist notwendig!

Der Deutsche LandFrauenverband (dlv) ist daher überzeugt, dass es dringend einer gemeinsamen Vision von Gesellschaft, Politik, Landwirtschaft und Wirtschaft – unter besonderer Einbeziehung des Lebensmittelhandels – sowie konkreter Zielbilder für eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft der Zukunft bedarf. Denn nur durch Verlässlichkeit lässt sich die betriebswirtschaftlich notwendige, langfristige Planungssicherheit für Landwirtinnen und Landwirte wiederherstellen und ein Auskommen für sie und ihre Familien sichern. Diese Zielbilder müssen in einem moderierten Dialogprozess von allen Interessengruppen gemeinsam erarbeitet werden.

 

Den LandFrauen ist natürlich bewusst, dass aus heutiger Sicht eine Einigung eine Herausforderung darstellt. Ein dauerhafter, transparenter und ergebnisorientierter Dialog ist dennoch wichtig, um einen gemeinsamen Grundkonsens herauszubilden. Der dlv begrüßt die aktuelle Dialoginitiative der Bundesregierung und erwartet, dass die oft vorherrschende „Wir gegen Die – Rhetorik“ rasch beendet wird.

 

Als mittelfristiges Ziel dieses Dialogprozesses sieht der dlv den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, der gemeinsame, langfristige Zielbilder über die zukünftige Ausrichtung der deutschen Landwirtschaft festschreibt. Dieser muss die Grundlage für eine kohärente Weiterentwicklung der deutschen Agrarpolitik liefern. Voraussetzung ist, dass sich alle beteiligten Akteure dem Vertrag langfristig verpflichtet fühlen und dementsprechend handeln. Die LandFrauen sind überzeugt, dass ein solcher Dialogprozess auch die Anreize für die Agrarbranche erhöhen wird, gemeinsame Positionen zu erarbeiten.

 

Zielkonflikte offen ausdiskutieren

Neben der gemeinsamen Zielbestimmung ist es zudem wichtig, die Ziele zu priorisieren und Zielkonflikte offen und faktenorientiert zu diskutieren. Die Bundesregierung muss die Debatte neben der nationalen auf der europäischen Ebene führen und insbesondere gleichwertige Produktionsstandards in den internationalisierten Agrarmärkten anstreben. Auch eine Verständigung über den globalen Kontext für die Landwirtschaft und Ernährung der Zukunft ist angesichts des Klimawandels sowie offener Welternährungsfragen von immenser Bedeutung.

 

Der dlv wird sich aktiv in den Dialog einbringen und bekräftigt in diesem Zusammenhang auch seine langjährige Forderung nach einem Unterrichtsfach „Alltags- und Lebensökonomie“. Denn den LandFrauen sind insbesondere die Verbraucherbildung, regionale und saisonale Ernährung sowie die Wertschätzung der Landwirtschaft und ihrer Erzeugnisse wichtig. Dabei ist ein wertschätzender Dialog sowie Kompromissbereitschaft und Lösungsorientiertheit aller Beteiligten notwendig. Dazu gehört auch, dass alle Akteure ihr Handeln kritisch hinterfragen und Defizite ehrlich kommunizieren, um gemeinsam Verbesserungen zu erreichen.

 

In den eigenen Reihen führen die LandFrauen den Dialog zwischen Landwirtinnen und Verbraucherinnen tagtäglich im Ehrenamt vor Ort. Der Deutsche LandFrauenverband ist bereit, aktiv am Dialog zu einem zukunftsfähigen Gesellschaftsvertrag mitzuarbeiten und die vielfältigen Erfahrungen der LandFrauen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene einzubringen.

 

Verabschiedet am 02.12.2019 vom dlv-Präsidium


Forderungen des Deutschen LandFrauenverbandes zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020

Der Deutsche LandFrauenverband e.V. (dlv) hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität und Arbeitsbedingungen aller Frauen auf dem Land zu verbessern. Neben gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Land, gleichen Chancen für Frauen im ländlichen Raum braucht es auch eine breit aufgestellte, zukunftsfähige und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft.

 

Es wird erwartet, viele Ziele zu integrieren. Die heimische Landwirtschaft soll es schaffen, den Erhalt der Biodiversität, den Schutz der natürlichen Ressourcen und eine artgerechte Nutztierhaltung mit einem wirtschaftlichen Auskommen für die Landwirtinnen und Landwirte sowie einer sicheren Versorgung mit einheimischen Lebensmitteln hoher Qualität zu niedrigen Preisen* unter einen Hut zu bringen – und das alles unter den Vorzeichen des Klimawandels.

 

Der gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2020 und ihrer Förderinstrumente kommt bei diesem Zielsystem aufgrund ihrer hohen Finanzmittelausstattung eine immense Bedeutung zu. Mit Blick auf den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) hat der Deutsche LandFrauenverband bereits 2017 ein Positionspapier vorgelegt. Darin forderten die LandFrauen eine gleichbleibende Mittelausstattung nach 2020 sowie die Aufnahme der Gleichstellung von Frauen und Männern als Zielbereich der Förderung der ländlichen Entwicklung. Diese Forderungen sollen hiermit bekräftigt und ergänzt werden.

 

Regionale Besonderheiten mitdenken

Der dlv begrüßt grundsätzlich, dass das neue GAP-Umsetzungsmodell den Mitgliedsstaaten durch das Instrument des nationalen Strategieplans mehr Spielraum bei der Maßnahmenausgestaltung in der ersten und zweiten Säule lässt. Wir fordern die Bundesregierung auf, diesen zu nutzen, um eine gerechte landwirtschaftliche Einkommenspolitik zu gewährleisten und Umwelt- und Naturschutzbelange sowie Frauen in ländlichen Räumen stärker in den Blick zu nehmen.

 

Der zukünftige deutsche Strategieplan muss aber mittels regionaler Teilpläne auch weiter die jeweiligen Besonderheiten in der deutschen Landwirtschaft adressieren und diesen gerecht werden. In diesem Zusammenhang fordert der dlv, dass auch in Zukunft Begleitausschüsse auf Länderebene eingesetzt werden. Die Einbeziehung von Sozialpartnern und Einrichtungen der Zivilgesellschaft in die Überwachung der Durchführung des GAP-Strategieplans darf nicht nur über einen einzigen bundesweiten Begleitausschuss erfolgen.

 

Landwirtschaftliche Einkommen absichern

In der ersten Säule darf es aus Sicht des Deutschen LandFrauenverbandes in der nächsten Förderperiode keine Mittelkürzungen geben. Die Direktzahlungen leisten aktuell einen wichtigen Beitrag zur Einkommenssicherung für die landwirtschaftlichen Betriebe und gelten die hohen europäischen Produktionsstandards ab.

 

Einer zunehmenden Ausrichtung der Direktzahlungen an gesamtgesellschaftlich gewollten Zielen in den Bereichen Umwelt, Klima und Tierwohl steht der dlv grundsätzlich offen gegenüber. Der Verband sieht beispielsweise in der Erbringung von Dienstleistungen wie dem Vertragsnaturschutz oder Landschaftspflegearbeiten Potential zur Diversifizierung landwirtschaftlicher Betriebe. Dafür müssen 2 zusätzliche an diesen Zielen ausgerichtete Maßnahmen einkommenswirksam für Landwirtinnen und Landwirte sein.

 

In diesem Zusammenhang kritisiert der dlv vehement die geplanten, überproportionalen Mittelkürzungen in der zweiten Säule von aktuell rund 15 Prozent. Angesichts der wachsenden Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion ebenso wie die von vielen Seiten geforderte Stärkung des ländlichen Raums stellen wir die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser gravierenden finanziellen Einschnitte. Verteilungskonflikte zwischen Teilzielen der GAP, insbesondere zwischen den Agrarumweltmaßnahmen sowie den Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raums, müssen unbedingt vermieden werden.

 

Um den Alterungsprozess in der Landwirtschaft zu bremsen, fordern wir die Bundesregierung auf, künftig die möglichen zwei Prozent der nationalen Mittel der ersten Säule für die Förderung von Junglandwirtinnen und Junglandwirten auszunutzen. In der zweiten Säule setzt sich der Deutsche LandFrauenverband für weitere Maßnahmen ein, welche auch die außerfamiliäre Hofübernahme sowie die gezielte Förderung von Frauen als Hofübernehmerinnen einbeziehen.

 

Weitere Vereinfachungen notwendig

Der Deutsche LandFrauenverband fordert die Bundesregierung auf, auf eine wirkliche Vereinfachung in der Umsetzung der GAP hinzuwirken. Dazu gehören aus dlv-Sicht: 

 

  • die Frage, wie praxistaugliche Förder-, Verwaltungs-, Kontroll- und Sanktionssysteme mit der geplanten Beibehaltung bestehender Kompetenz- und Aufgabenverteilungen zwischen Bund und Ländern vereinbart werden können;
  • die Vereinfachung der Fördermodalitäten für Agrarumweltmaßnahmen in der zweiten Säule - das Beispiel der Naturschutzkooperativen in den Niederlanden kann hier als Vorbild dienen;
  • wesentlich einfachere Verwaltungs- und Kontrollregelungen für kleine Vorhaben bis 25.000 Euro in der zweiten Säule;
  • die Ermöglichung von LEADER-Kooperationsprojekten, indem das Verfahren und die Regelungen zur Vorbereitung und bei der Durchführung vereinfacht werden. Die Rahmenbedingungen sind länderübergreifend zu regeln.

 

Frauen im ländlichen Raum fördern

Die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 muss eine verbesserte Beteiligung der Frauen an der Wirtschaft des ländlichen Raums beachten. Der ELER muss hierfür gleichstellungsorientierte Teilprogramme und Maßnahmen beinhalten. Auf Ebene der Bundesländer ist Baden-Württemberg mit seinem Programm "Innovative Maßnahmen für Frauen im ländlichen Raum" (IMF) beispielgebend.

 

Frauen müssen in ihrer multifunktionalen Rolle in den ländlichen Regionen berücksichtigt werden. Daher braucht es (mehr) Fördermaßnahmen für diese Bereiche:

 

  • Erhöhung der weiblichen Beschäftigungsrate, Schaffung von Erwerbsperspektiven in und außerhalb der Landwirtschaft, Ermöglichung von Erwerbskombinationen und Diversifizierung, Unterstützung bei Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgen vor allem kleiner und mittelständischer Betriebe, Hilfen beim Aufbau genossenschaftlicher Strukturen, Initiativen im Erzeuger-Verbraucher-Dialog; 
  • Verhinderung von Landflucht und Schaffung von Rückkehrperspektiven junger Frauen, Förderung der Bereitstellung von Infrastruktur für Familien. Der Frauenanteil in den ELER-/LEADER-Gremien muss erhöht werden.

 

Verabschiedet am 20.03.2019 vom dlv-Präsidium

 

*Anteil der Nahrungsmittelausgaben (inkl. alkoholfreie Getränke) an den Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland: 10,6 % (Quelle: Statistisches Bundesamt)


Weitere aktuelle Positionspapiere des dlv finden Sie unter:

https://www.landfrauen.info/publikationen/liste/alle-jahre/typ/positionspapiere/